Salomo Friedlaender/Mynona (4. Mai 1871 - 9. September 1946)
Die Ausgabe seiner zu Lebzeiten veröffentlichten und der nachgelassenen Schriften ist abgeschlossen (23 Bände), die ersten Bände des Briefwechsels erscheinen.Das in 50 Jahren entstandene Werk Friedlaender/Mynonas ist umfangreich und vielgestaltig.

Er publizierte 34 Bücher: philosophische Abhandlungen, Romane, Novellen, Parodien und Gedichte (darunter 250 Sonette); dazu 80 Aufsätze, 120 Rezensionen und politische Stellungnahmen. So erfrischend antimodern er sich gab, zählt er doch zu den Klassikern der Moderne. Sein polaristischer Indifferentismus – ineins Methode, Heuristik, Therapie und Verknüpfung von Philosophie mit Literatur – bildet ein Ferment in den Gärungsphasen zahlreicher heute aktueller Diskurse. Geboren 1871 in Gollantsch (bei Posen, heute Polen), studiert er Medizin, dann Philosophie in München, Berlin und Jena, wo er 1902 bei Otto Liebmann promoviert. Seitdem lebt er in Berlin. Zu seinem personalen Netzwerk gehören Samuel Lublinski, Paul Scheerbart, Kurt Hiller, Martin Buber, Walter Benjamin, David Baumgardt, Max Picard, Karl Kraus und Joseph Roth sowie Raoul Hausmann, Hannah Höch, Kurt Schwitters, Arthur Segal und Ludwig Meidner. Alfred Kubin illustriert mehrere seiner Werke.
Friedlaender/Mynona gelangt durch Schopenhauers Farbenlehre zu Goethes Polaritätsdenken, das er konsequent und antiromantisch ausbaut. Von Nietzsche übernimmt er das Motiv der Selbstkultivierung, den Übermenschen weist er als physiologische Verirrung zurück. Er korrespondiert mit „der stadtbekannten Schwester des weltbekannten Bruders“; Georg Simmel fördert sein Nietzsche-Buch von 1911. Ab 1909 veröffentlicht er unter dem Namen Mynona (Umkehrung von Anonym) 250 Grotesken, die ihn auch außerhalb des deutschen Sprachraums rasch bekannt machen. Entscheidende Impulse erhält er von Ernst Marcus (1856-1928), Jurist und „Altkantianer“. Seit 1920 kämpft Friedlaender/Mynona erbittert gegen den heraufziehenden Nationalsozialismus. Unermüdlich verteidigt er die Sache Kants: Freiheit, Gesetzesbegriff, Revolutionsprinzip, Vernunftreligion, Weltfrieden, Rechtsstaat. Scharfsinnig setzt er sich mit der intellektuellen Prominenz auseinander: Scheler, Bergson, Rathenau, Bloch, Thomas Mann, Hugo Ball, Tucholsky, Spengler, Ernst Barthel, Sartre ... Er legt den philosophischen Grundstein zu Dada, schreibt die erste Monographie über George Grosz, verspottet Tarzan, stellt Freuds Sexualtheorie auf den Kopf, regt den Psychologen Fritz Perls zur Gestalttherapie an, seziert Einsteins empiristischen Relativismus und betreibt am Fall Remarque eine in ganz Europa Aufsehen erregende Dekonstruktion avant la lettre. Mynona bietet eine Fundgrube für Medientheorien: Anders als viele Zeitgenossen sieht er in der Technik ein durchaus kontrollierbares Mittel zum Zweck eines besseren Lebens, das er in phantastischen Visionen beschreibt.Literatur- und Kulturkritiker, Sprachmeister, Satiriker und Parodist vom Rang eines Lichtenberg oder Voltaire – der lachende Inszenator des „großen Immanuel Unbekannt“: Friedlaender/Mynona blieb unbestechlich, nahm kein Blatt vor den Mund, stellte sich quer zum Zeitgeist, bis sich in der späten Weimarer Republik der „Ring der Knebelungen“ um ihn schloß. Im Oktober 1933 flieht er mit Frau und Sohn nach Paris, wo er 1946 in Armut stirbt.Im Exil kann er unter widrigsten Umständen ein Dutzend philosophische Bücher und fünfzehn Essays abschließen, vor allem die kritische Revision der Schöpferischen Indifferenz von 1918 – Das magische Ich (1935). Aber auch dieses Buch, dessen Publikation an Geldmangel scheiterte, ist nicht sein letztes Wort. Seit 1939 ersetzt er jene Titelformel von 1918 durch „Ich-Heliozentrum“. Gemeint ist das, was Kant „Menschheit in Person“ oder homo noumenon, Vernunftmensch nennt. In seinem letzten Essay, Ideenmagie (1945/46), nimmt Friedlaender/Mynona auch Stellung zur Atombombe.(Hartmut Geerken)

Ein Lichtenberg unserer Tage (Kubin) – ein Nachfahre Georg Christoph Lichtenbergs (Soergel) – ein deutscher Voltaire (Steegemann) – Charley Chaplin der deutschen Philosophie (Hatvani) – Deutschlands erster lebender Philosoph und einziger Erbe Nietzsches (Flesch) – ein Nietzscherl (Bloch) – ein Schüler Jean Pauls (Hennecke) – ein zweiter Andersen (Schickele) – das Urbild eines Zynikers (Scholem) – ein vergessenes Genie (Strelka) – der charakterstärkste, ja der konsequenteste Freigeist des modernen Schrifttums (Mehring) – der zu Unrecht verschollenste Autor des deutschen Expressionismus (Hennecke) – ein verschollener, aber ganz großartiger Schriftsteller (Jentzsch) – der einzige Metaphysiker dieses Kulturkreises (Hiller) – en af Tysklands storste kritikere (anonym) – ein bissiger Kulturkritiker (anonym) – ein Magiker, ein Clown (Fröhlich) – Philosoph und Clown (Pinthus) – ein geistig aufreizender Satiriker (Hatvani) – ein besessener Kantianer (Koch) – ein Altkantianer (Mynona) – ein Neukantianer (Huder) – ein lachender Philosoph (Tucholsky) – The anonymous Jew as laughing philosopher (Zipes) – ein bitterarmer und redlicher Jude (Blüher) – ein philosophischer Pagenkopf (Huder) – ein philosophischer Sonderling (Viertel) – ein Philosophus-Satirikus (Richter) – le Charlot de la philosophie allemande (anonym) – einer der besten Denker (Heinrich Mann) – eine janusköpfige Doppelnatur (Strelka) – ein Prophet (Daiber) – ein Kobold, Irrwisch und Medium einer Stimme, deren Diktat nur die Berufenen empfangen (Kramberg) – ein Weiser (Strelka) – ein Siegelbewahrer; vielleicht auch eine Art Gralshüter (Riese) – Einzelgänger (Sternberg) – Verkehrungsspezialist (Foellmer) – ein ursprüngliches, poetisches und intellektuell-differenziertes feines und tiefes Talent (Schlaf) – einer, der Bescheid weiß (anonym) – ein Bohemien (Meidner) – ein Großer der deutschen Literatur dieses Jahrhunderts (Serke) – eine Berliner jüdische Dame (Bartels) – einer unserer genialsten Sprachschöpfer (Fröhlich) – ein unprofessoraler Feuerkopf (anonym) – so’n Gedankenstrichjunge (Mynona) – einem Marabu nicht unähnlich (Kubin) – ein durch den Weltraum sausender Kosmos (Lublinski) – ein tüchtiger Saltoschläger der Anonymität. (Huder) – ein heimlicher Literaturpapst (Daiber) – a gadfly who drew blood during the ferocious literary feuds of the last days of the Weimar Republic (Mandel) – ein libertinistischer Genießer (Pinthus) – radikaler Moralist des ewigen Friedens (Köhn) – ein zirzensischer Sprachartist (Huder) – einer der Matadore des sagenhaften Café des Westens (anonym) – geistreiches Mitglied des damaligen Berliner Künstler-Myzels (Frambach) – ein Dada-Ahn im Zentralnervensystem der Bürgerspötter (v. Wiese) – ein schriftstellernder Niemand (Hennecke) – messerscharf und dämonisch (Utzinger) – meisterhafter Sprachkünstler (Roettger) – ein Mann der ausgezeichneten und sinnreichen Einfälle (Heinrich Mann) – ein Schriftsteller der äußersten Linken (Schauwecker) – ein Avantgardist der sozialrevo-lutionären Aktivisten (Mehring) – ein beliebter Plauderer und Wortspieler (anonym) – ein hochstehender Vorläufer der Science-fiction (Pinthus) – ein geistiger Ararat unserer Zeit (Raoul Haus-mann) – der Entdecker der didaktischen Groteske, ein kluger Erfinder und Situationenfuhrwerker (Lg.) – eine ungewöhnliche, geniale, magisch-phosphoreszierende Erscheinung, wie es deren nur ganz wenige gibt (Emil Arnold-Holm) – Surreal-Humorist (Paulun) - Pikantianer (Friedlaender)

Editionspla1 Kant gegen Einstein (1932)2005, 2. Aufl. 2008. 208 S. € 24,50. ISBN 978-3-8370-0052-82

Philosophische Abhandlungen und Kritiken, Teil I2006. 540 S. € 44,90. ISBN 978-3-8334-7022-63

Philosophische Abhandlungen und Kritiken, Teil II2006. 536 S. € 44,90. ISBN 978-3-8334-7023-34

Die Bank der Spötter. Ein Unroman (1920)2007. 492 S. Ill.: Alfred Kubin u. Richard Ziegler. € 44,90. ISBN 978-3-8334-7895-65

Logik / Psychologie (1907)2007. 220 S. € 24,50. ISBN 978-3-8334-8087-46

Kant und die sieben Narren / Kantholizismus / Philosophischer Dialog / Dialogübers Ich (aus dem Nachlaß)2007. 268 S. € 29,90. ISBN 978-3-8334-8084-37

Grotesken, Teil I2008. 700 S. € 68,50. ISBN 978-3-8334-8089-88 Grotesken, Teil II2008. 696 S. € 68,50. ISBN 978-3-8334-8090-49

Friedrich Nietzsche. Eine intellektuale Biographie (1911)2009. 296 S. € 34,90. ISBN 978-3-8391-2001-910

Schöpferische Indifferenz (1918, 21926)2009. 692 S. € 68,50. ISBN 978-3-8391-2952-411

Hat Erich Maria Remarque wirklich gelebt? (1929) / Der Holzweg zurück. Gegen Kurt Tucholsky (1931)2010. 512 S. € 49,90. ISBN 978-3-8391-8531-512

Julius Robert Mayer (1905)2010. 372 S. € 39,90. ISBN 978-3-8391-4969-013

Der Schöpfer. Phantasie / George Grosz / Tarzaniade. Parodie / Biblianthropen / Der lachende Hiob / Kant/Marx (1919-1936)2012. 560 S. € 49,90. Ill.: Alfred Kubin u. George Grosz. ISBN 978-3-8448-1028-814

Graue Magie. Ein Berliner Nachschlüsselroman (1922, 21931)2013. 432 S. € 44,90. ISBN 978-3-7322-5551-115

Kant für Kinder (1924) / Katechismus der Magie (1925) / Der Philosoph Ernst Marcus. Ein Mahnruf (1930)2014. 360 S. € 39,90. ISBN 978-3-7357-2415-116 Lyrik (1902-46)2014. 636 S. € 68,50. ISBN 978-3-7322-9743-617

Vernunftgewitter. Brevier nach Ernst Marcus (aus dem Nachlaß, 1932)2015. 464 S. € 44,90. ISBN 978-3-7347-5175-2

18 Autobiographische Schriften / Anekdoten (1872-1946)2016. 620 S. € 68,50. ISBN 978-3-7431-7889-219

Das magische Ich. Elemente des kritischen Polarismus (aus dem Nachlaß, 1935)2015. 452 S. € 44,90. ISBN 978-3-7386-1719-120

Vereinzelte Bemerkungen zum System des magischen Ich (aus dem Nachlaß, 1936-38)2015. 464 S. € 44,90. ISBN 978-3-7386-4445-621

Das Experiment Mensch. Philosophische Essays und Kritiken (aus dem Nach-laß, 1912-39)2017. 620 S. € 68,50. ISBN 978-3-7448-1270-222

Ich-Heliozentrum. Philosophische Abhandlungen (aus dem Nachlaß, 1940-45)2017. 644 S. € 68,50. ISBN 978-3-7448-7063-423

Lehrbücher (aus dem Nachlaß)2017. 512 S. € 44,90. ISBN 978-3-7460-0900-124

Briefwechsel I (aus dem Nachlaß, 1878-April 1919)2018. 688 S. € 68,50. ISBN 978-3-7460-9979-825-31

Briefwechsel (1899-1958), (7 Bde.; ca. 5000 S.)32-37 Tagebücher (6 Bde.; ca. 4200 S.)38

Bibliographie. Nachträge 1896-2019 / Register (ca. 600 S.)

Die Gesammelten Schriften werden ab 2014 in loser Folge begleitet von der Buch
reihe Friedlaender/Mynona Studien:

1 Experiment Mensch. Friedlaender/Mynona BrevierKonzept & Schnitt: Detlef Thiel. Mit Einleitung, Zeittafel und Bibliographie2014. 284 S. € 19,50. ISBN 978-3-7357-8870-22

Friedlaender/Mynona: „Ich werde nie heiraten“. Liebesbriefe an Marie LuiseHg. Sigrid Hauff. 2014. 238 S. € 19,50. ISBN 978-3-7357-4204-93

„Tummle dich, mein Publikum! Hier sind noch schöne Aufgaben zu lösen.“Berichte und Forschungsbeiträge aus 100 Jahren. Gesammelt von Detlef Thiel2015. 296 S. € 19,50. ISBN 978-3-7357-4204-94

Rolf Schütte: Die Mitte der Differenz. Polaritätsphilosophie und literarische Phantastik im Werk von Salomo Friedlaender/Mynona2016. 400 S. € 22,50. ISBN 978-3-7412-3754-65

Sonnenreflexe im Achteckspiegel. Beiträge aus Japan, Hg. Detlef Thiel2018. 276 S. € 19,50. ISBN 978-3-7528-6095-5

Stand März 2018
Alle Bände Hardcover, mit Illustrationen.
Weitere Infos unter www.hartmutgeerken.de